Gründung des Schachklubs Bad Hersfeld
Nachdem 1877 der Deutsche Schachbund in Leipzig gegründet wurde, dauerte es immerhin noch 60 Jahre, bevor sich in Bad Hersfeld die Schachspieler organisieren und sich einem Schachverband anschließen konnten. Dazu bedurfte es schon einer guten Portion Optimismus und Idealismus der beteiligten Personen.
Initiatoren der Vereinsgründung waren die Herren Heidsiek, Knittel und Sauer, die im Cafe Bolender privat spielte, und die auf einem ihrer Treffen beschlossen, am 10. Februar 1937 eine Anzeige in der Hersfelder Zeitung aufzugeben.
Am 25.2.1937 trafen sich dann im Cafe Bolender am Kurpark, auf Grund dieser Anzeige und der Initiative von Günther Sauer, 11 Schachfreunde, um einen Schachklub in Bad Hersfeld zu gründen. Bad Hersfeld zählte zu dieser Zeit 15.000 Einwohner.
Als Gründungsmitglieder sind überliefert:
Gründungsmitglieder | |
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1. Dr. Wilhelm Auel, Bad Hersfeld, Marktplatz 28 | 2. Robert Fischer, Bad Hersfeld, Untere Frauenstr. 18 |
3. Ernst Grimm, Bad Hersfeld, Wehneberger Str. 23 | 4. Albert Hehlgans, Bad Hersfeld, Benno-Schilde-Str. 16 |
5. Adolf Heidsiek, Bad Hersfeld, Brückenmüllerstr. 11 | 6. Alfred Helberg, Bad Hersfeld, Wehneberger Str. |
7. Erich Knittel, Bad Hersfeld, Am Lingplatz | 8. Karl König jun., Bad Hersfeld, Landecker Str. |
9. Günther Sauer, Bad Hersfeld, Simon-Haune-Str. 3 | 10. Käthe Spangenberg, Bad Hersfeld, Wigbertstr. 1 |
11. Max Wenzel, Bad Hersfeld, Güldene Kammer 7 |
Die beiden Mitglieder Günther Sauer und Albert Hehlgans sind heute Ehrenmitglieder und nehmen mit ihren 90 Jahren noch passiv am Vereinsleben teil.
Die erste Schachanzeige erschien am 10. Februar 1937 in der Hersfelder Zeitung und die Satzung für den neu gegründeten Verein wurde am 29. April 1937 beschlossen.
Der erste Vorstand bestand aus:
Der erste Vorstand | |
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1. Vorsitzender: | Günther Sauer |
Schriftführer: | Erich Knittel |
Kassenwart: | Adolf Heidsiek |
Spielführer: | Ernst Grimm |
Das erste Vereinsturnier wurde im August 1937 beendet. Es nahmen 13 Schachfreunde teil. Erster Vereinsmeister wurde nach Stichkampf Ernst Grimm vor Rockensüß.
Der erste Mannschaftskampf fand am 11.7.1937 gegen Alsfeld statt und wurde mit 5:8 verloren.
Am 26. Mai 1938 erfolgt die Anmeldung des Vereins mit 13 Mitgliedern beim Landesverband Mittelrhein im Großdeutschen Schachbund. Pro Jahr und Mitglied waren 1,20 RM an den Landesverband abzuführen (0,50 RM an den Großdeutschen Schachbund, 0,40 RM an den Landesverband Mittelrhein, 0,10 RM an den Unterverband Nord-Ost und 0,20 RM an den Bezirk). Der Vereinsbeitrag betrug damals 0,50 RM pro Monat.
Erstmals wurde beim Bad Salzschlirfer Pokalwettkampf teilgenommen und man erreichte auf anhieb einen beachtlichen zweiten Platz.
Das Schachleben während des Zweiten Weltkrieges
Das Cafe Bolender war seit Vereinsgründung das Spiellokal. Durch den hereinbrechenden Zweiten Weltkrieg wurde das Schachleben erheblich beeinträchtigt. Durch den Einsatz der Schachfreunde Dr. Wilhelm Auel und Günther Sauer kam das Schachleben nicht gänzlich zum Erliegen.
Zur Belebung des Schachspiels während der Kriegsjahre wurde ab 1939 in der Hersfelder Zeitung eine Schachecke ins Leben gerufen, die von Günther Sauer betreut wurde. Man veröffentlichte aktuelle Schachergebnisse, interessante Partien und stellte Schachaufgaben.
In den Jahren 1939 bis 1943 wurde in den Privatwohnungen von Dr. Auel und Rechtsanwalt Gössel gespielt. 1943 und 1944 wurde die Hessenschänke neues Vereinslokal. Alle Fahrten zu den Mannschaftswettkämpfen, soweit noch welche stattfanden, erfolgten per Bahn und die Fahrtkosten mußten die Mitglieder selber tragen.
Im Jahre 1939 wurde zum dritten Mal der Bad Salzschlirfer Pokal gespielt, welcher 1936 von der Kur- und Badeverwaltung Bad Salzschlirf gestiftet wurde. Am Wettkampf am 25 Juni 1939 beteiligten sich Alsfeld, Fulda und Bad Hersfeld. Fulda konnte sich den Pokal sichern. Der Bad Salzschlirfer Wanderpokal ist inzwischen in den endgültigen Besitz des Schachklubs Bad Hersfeld übergegangen, da dieser in den Jahren 1961, 1962 und 1963 dreimal hintereinander gewonnen werden konnte. Auch heute wird der Nachfolgepokal noch als Achterpokal des Bezirks Osthessen ausgespielt.
In den letzten Kriegsjahren kam das Schachspiel ganz zum erliegen. Vereinbarte Wettkämpfe z.B. gegen die KdF-Spielvereinigung Kassel mußten wegen des unregelmäßigen Bahnverkehrs und wegen der akuten Luftgefahr abgesagt werden. Von den 12 Mitgliedern wurden in den 40er Jahren 8 Schachfreunde eingezogen. Im Sommer 1944 wurden auch die restlichen 4 Schachfreunde kriegsdienstverpflichtet, so daß das Schachleben in Bad Hersfeld im Herbst 1944 gänzlich zum erliegen kam.
Auch in der Verwundetenbetreuung engagierte sich der Schachklub. In den Jahren 1943 und 1944 fanden Veranstaltungen mit den Deutschen Schachmeistern Alfred Brinkmann und Friedrich Sämisch statt. Die beiden Schachmeister hielten Vorträge und spielten simultan. Auch der Schachklub selbst organisierte Veranstaltungen und Wettkämpfe mit den Verwundeten.
Am 14. Juli 1944 berichtete die Hersfelder Zeitung über die Simultanveranstaltung mit A. Brinkmann wie folgt:
“Zweimal gastierte der Deutsche Schachmeister Alfred Brinkmann vor Verwundeten im Kurhotel und ein weiteres Mal im Spiellokal des Schachklub Bad Hersfeld. Insgesamt spielte er dabei 50 Partien, von denen er 39 gewann, 7 verlor und 4 unentschieden beendete. Siegreich blieben gegen den Meister nach hartem Kampf: die Herren Remdt und Gunther (Kasseler Schachklub), Herr Tönnies (Schachvereinigung Essen), die Herren Wegener, Becker und Sauer (Schachklub Bad Hersfeld) und Gefreiter Stuhlmann. Unentschieden spielten die Herren Brückner (KdF-Spielvereinigung Kassel), Friese (Marburger Schachklub), Hehlgans (Schachklub Bad Hersfeld) und Gefreiter von Neuendorf.”
Dies war die letzte schachliche Aktivität vor der Beendigung des Zweiten Weltkrieges.
Nach dem Krieg
1945 erlaubten die amerikanischen Offiziere den Hersfelder Schachfreunden, in der von den Amerikanern besetzten “Villa Rechberg” vorübergehend Schach zu spielen. Voraussetzung war, daß die Spieler entnazifiziert waren. Auf Grund des Beschlusses des Alliierten Kontrollrates wurden 1945 alle Vereine aufgelöst. Für den Neubeginn mußte eine Lizenz beantragt werden, die erst nach einer Gesinnungsprüfung des Vereins und seiner Ziele von den Militärbehörden neu erteilt wurde.
Der Verein reorganisierte sich rascher als erwartet, dank der Initiative der Herren Günther Sauer, Willi Most und Albert Hehlgans. Anfangs wurde sich im Garten des Schachfreundes Dr. Wilhelm Auel jeden Samstag Nachmittag getroffen. Im Oktober 1946 erhielt der Schachklub wieder eine Lizenz zur Vereinsführung. Auf Anhieb fanden sich 34 Schachfreunde, die dem Verein beitraten, und die die einmalige Eintrittsgebühr von RM 1,- und einen monatlichen Beitrag von RM 1,- bezahlten.
Um das Interesse am Schach weiter zu erhöhen, konnte der internationale Schachmeister und Schachpublizist Alfred Brinkmann gewonnen werden, der an 25 bzw. 30 Brettern im August und November 1946 in Bad Hersfeld simultan spielte.
Schachwettkämpfe gegen Kassel/Bettenhausen, Fulda und Alsfeld zeugten von dem wiedererwachten regen Schachbetrieb.
Beitritt zum Hessischen Schachverband
Unter der Regie des früheren Vorsitzenden des Schachverbandes Mittelrhein, Karl Linnmann, Wiesbaden, gründeten 8 Vereine im Juni 1946 den Hessischen Schachverband, dem der Schachklub Bad Hersfeld schließlich als elfter Verein beitrat. Auf der Generalversammlung des Hessischen Schachverbandes am 25.1.1947 in Frankfurt/M. wurde unser Verein von den Aktiven Sauer, Hehlgans und Most vertreten. Dem dort gewählten Vorstand gehörte auch ein Hersfelder an: 1. Vorsitzender: Linnmann, Wiesbaden; 2. Vorsitzender: Werner, Offenbach; Schriftführer: Vogler, Hochheim; Turnierleiter: Hummel, Frankfurt und Kassierer Most, Bad Hersfeld.
Auch die Schachecke wurde ab Januar 1947 wieder in der Hersfelder Zeitung eingerichtet. Sie wurde zunächst von Willi Most betreut. Sie erschien einmal wöchentlich und hatte in ihrer Form bis 1965 bestand. Dann wurde die Schachberichterstattung im Lokalteil fortgeführt, bis sie schließlich ihren endgültigen Platz im Sportteil fand.
Erste überregionale Erfolge
Das erste Großereignis nach dem Kriegsende waren die Hessischen Fernschachmeisterschaften 1947/48. Unser Vertreter Hehlgans belegte mit 7,5 Punkten hinter den punktgleichen Siegern, die 8,5 Punkte erreichten, einen vielbeachteten 2. Platz.
In einem der 4 Wertungsturniere um die Teilnahme an der Deutschen Schachmeisterschaft qualifizierte sich unser Vereinsmitglied Mistereck, ehemaliger Niedersachsenmeister, für das Entscheidungsturnier in Wiesbaden. Hier scheiterte er knapp mit einem hervorragenden 2. Platz hinter dem Sieger Pleutgen, aber immer noch vor so starken Spielern wie Althoff und Schlensker (Schachrundbrief des HSV vom Juni 1947).
Auch an den Hessischen Mannschaftsmeisterschaften wurde teilgenommen. Man spielte in der Nordgruppe mit den Vereinen Kassel/Bettenhausen, Fulda, Limburg, Wetzlar und Melsungen zusammen. Die Hersfelder Farben wurden u.a. von Mistereck, Karl Lidums, Hehlgans, Most, Remdt, Knevels, Staniekm, Sauer, Grimm und Dr. Auel vertreten.
Der Verein erreichte seine erste Blütezeit. Man spielte mit drei Mannschaften. Das Vereinslokal war in den Jahren 1947 und 1948 das Gasthaus zur Sonne.
Jubiläumsturnier mit Großmeister Bogoljubow
Anläßlich des 10jährigen Vereinsjubiläums fand vom 19. bis 25. Juli 1947 in Heringen ein gemischtes nationales Meisterturnier statt, welches durch die Teilnahme von Großmeister Bogoljubow seine besondere Bedeutung erhielt
Bogol, wie ihn seine Freunde nannten, spielte 1929 und 1934 zweimal gegen Dr. Aljechin um die Schachweltmeisterschaft und war mehrfacher Meister von Deutschland.
Weiterhin nahmen an dem Jubiläumsturnier teil:
Der internationale Schachmeister Brinckmann (Kiel), der zur damaligen Zeit überragende Jugendmeister Niephaus (Bad Nauheim), der deutsche Fernschachmeister Nonnenmacher (Kassel), der Vorsitzende des Hessischen Schachverbandes Linnmann (Wiesbaden) und die sechs einheimischen Spieler Lidums, Most, Mistereck, Hehlgans, Remdt und Staniek.
In der Festschrift des Deutschen Schachbundes anläßlich des 100-jährigen Bestehens von 1977 wurde das Turnier in Heringen als Markstein der schachlichen Neuordnung und des Wiederaufbaus nach dem Kriege erwähnt (Seite 93).
Willy Most berichtet in seiner Schachecke über eine Kampfpartie aus diesem Turnier zwischen unserem Mitglied und Bogoljubow.
Im Schachrundbrief des Hessischen Schachverbandes wurde das Turnier mit folgendem Artikel gewürdigt:
“Vom 19.7. bis 25.7. fand in Heringen/Werra das vom Hersfelder Schachklub veranstaltete Jubiläums-Turnier statt, das vor allem durch die Teilnahme von Großmeister Bogoljubow (Triberg), Meister Brinckmann (Kiel) sowie Niephaus (Bad Nauheim) seine Besondere Bedeutung erhielt. Außer den 6 besten Hersfelder Spielern nahmen noch Linnmann (Wiesbaden) und Nonnenmacher (Kassel) teil. Überraschenderweise fiel der Turniersieg an Niephaus, der in der 1. Runde Bogoljubow und in der 3. Runde Brinckmann durch seine Blockadepartien besiegen konnte und alle 10 Partien gewann. Zweiter Preisträger mit 8 Punkten wurde Bogoljubow, der in seiner Partie gegen Brinckmann in Gewinnstellung einen Turm einstellte. Den 3. bis 4. Preis gewannen gemeinsam Brinckmann und Nonnenmacher. Die Hersfelder Spieler kämpften wacker und verbissen und machten den Meistern das Siegen schwer. Hier ist vor allem Most zu nennen, der ein beachtliches Können zeigte und in Zukunft sicher noch weiter kommen wird. Er ist auch der eigentliche Organisator des Turniers, das auf das beste vorbereitet war und allen Teilnehmern in angenehmer Erinnerung bleiben wird. Den Schönheitspreis erhielt Nonnenmacher für seine Partie gegen den früheren Niedersachsenmeister Mistereck.
Der Endstand des Turniers war folgender: 1. Niephaus 10 P.; 2. Bogoljubow 8 P.; 3.-4. Brinckmann und Nonnenmacher 7,5 P.; 5. Linnmann 6 P.; 6. Lidums 4,5 P.; 7. Most 3 P.; 8. Staniek 2,5 P.; 9.-11. Remdt, Hehlgans und Mistereck 2 P.”
Gründung von Spielgruppen im Jahre 1947 im Kreis Hersfeld
In dieser Zeit bildeten sich zahlreiche Schachspielgruppen, die sich wegen der Lizenzschwierigkeiten dem Schachklub Bad Hersfeld anschlossen, um sich zu einem späteren Zeitpunkt selbständig zu machen. Von diesen Spielgruppen existiert heute noch der selbständigen Schachvereine in Schenklengsfeld. Der SC Heringen führte seinen Spielbetrieb bis ins Jahr 2002 fort.
Es bestanden die folgenden 6 Spielgruppen:
Liste der Spielgruppen |
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Niederaula unter Gruppenleiter Beilicke |
Heringen unter Gruppenleiter Stahl |
Schenklengsfeld unter Gruppenleiter Hermann |
Lengers unter Gruppenleiter Wenk |
Sorga einschließlich Friedewald unter Gruppenleiter Kaiser |
Willi Most wird neuer Vorsitzender des Schachklub Bad Hersfeld
In einer außerordentlichen Vorstandssitzung und anschließenden Mitgliederversammlung wurde Willi Most zum neuen Vorsitzenden gewählt. Günther Sauer, der sein Amt aus privaten und beruflichen Gründen zur Verfügung stellte, wurde auf Grund seiner Verdienste um den Verein zum Ehrenvorsitzenden gewählt (Schachrundbrief des HSV 11/1947). Most, der auch zur Gründung der Spielgruppen anregte, leitete die Geschicke des Vereins bis 1951. Er organisierte auch das Jubiläumsturnier 1947. Er mußte sich jedoch 1952 aus beruflichen Gründen vom aktiven Sport zurückziehen. Er blieb jedoch dem königlichen Spiel treu, als eifriger Sammler von Schachliteratur, Kupfer-, Stahl- und Holzstichen mit Schachmotiven und von wertvollen Holz- und Elfenbein-Schachfiguren.