Schachabteilung der SG Hessen Hersfeld (1981-2004)
Die Geschichte der Schachabteilung in der SG Hessen beginnt am 1. Januar 1981. Denn seit diesem Zeitpunkt konnten die Schachfreunde des SK Bad Hersfeld den Jugendraum im Sportlerheim an der Oberau nutzen, um dort das „königliche Spiel“ wettkampfmäßig zu betreiben. Nachdem in den Hauptversammlungen der beiden Vereine die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen worden waren, wurde die Schachabteilung am 1. Juli 1981 auch formell gegründet. Ihre ca. 40 Mitglieder setzten so die 44jährige Tradition des organisierten Schachs in Bad Hersfeld unter dem Dach der Sportgemeinde fort.
Bis Anfang der 1990er Jahre zeigte sich die 1. Mannschaft der Abteilung als eine typische Fahrstuhl-Acht: Vier Abstiegen aus der Landesklasse Nord folgte jeweils die Meisterschaft der Unterverbandsklasse und der direkte Wiederaufstieg in den Jahren 1985, 1987, 1989 und 1992. Eine intensive und nachhaltige Jugendarbeit legte jedoch den Grundstein für die Goldene Zeit des Hersfelder Schachs in den Neunziger Jahren. Die Hersfelder Schachjugend demonstrierte überregional ihre Spielstärke und errang serienweise Hessische Meister- und Vizemeistertitel in Einzel- und Mannschaftswettbewerben. Die stärksten Spieler waren Bernd Steinberg, Darius C. Hamidzadeh, Thomas Frank, Wolfgang Frank und Florian Grafl. Die C-Jugend wurde zwischen 1989 und 1991 dreimal in Folge Hessenmeister und 1990 Mannschaft des Jahres im Sportkreis Hersfeld-Rotenburg.
In der Saison 1994/95 trug die gute Jugendarbeit auch im Erwachsenenbereich Früchte und der 1. Mannschaft gelang zum ersten Mal in ihrer Geschichte der Aufstieg in die Hessenliga. Im Gedächtnis bleibt hier vor allem der dramatische Wettkampf gegen den favorisierten Kasseler SK am 15. Januar 1995, der nach über 10stündiger Spielzeit abgebrochen werden musste. Die Hersfelder erzielten bei der Wiederaufnahme ein 4:4, das am Ende die Meisterschaft zu ihren Gunsten entschied. Selbst die Hochwasserkatastrophe, die eine Woche später die gesamte Sportgemeinde heimsuchte, konnte den Aufstieg nicht mehr verhindern; auch die Schachspieler halfen bei der Renovierung der Räumlichkeiten kräftig mit.
Mit Florian Grafl hatte die Schachabteilung nun auch einen Spieler in ihren Reihen, der die üblichen Maßstäbe weit überragte. Dank seiner außergewöhnlichen Begabung und einer gezielten Förderung sammelte er schon im jugendlichen Alter auf Hessenebene zahlreiche Titel, wurde 1996 im Alter von dreizehn bereits Sportler des Jahres und errang 1997 sogar den deutschen Meistertitel der C-Jugend. Er nahm an Welt- und Europameisterschaften teil und konnte als größten Erfolg 2000 die Vize-Europameisterschaft verbuchen; in demselben Jahr gewann er auch die Hessische Meisterschaft der Erwachsenen. Mit Grafl am Spitzenbrett gelang der 1. Mannschaft in der Saison 1998/99 erneut der Aufstieg in die Hessenliga.
Ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert besaß in der Abteilung das Damenschach: Katrin Radick, Linda Grafl und Lena Robitzsch gewannen zwischen 1999 und 2002 dreimal die Hessischen Meisterschaften der U 20 und wurden demzufolge auch 2000 zur Mannschaft des Jahres im Sportkreis gewählt. Den größten Erfolg konnte Birgit Schuster erringen, die 2001 in Willingen für die Hersfelder Farben zur Hessischen Damenmeisterin avancierte.
Die Geschichte der Schachabteilung besteht aber nicht nur aus Titeln, Aufstiegen und Meisterschaften sondern auch aus vielen zwischenmenschlichen Begegnungen. So wurden Freundschaftswettkämpfe unter anderem gegen Düsseldorf, Schwabmünchen, Bad Salzungen und Solingen bestritten. Anlässlich des 75jährigen Jubiläums des Hauptvereins nahm die Abteilung unter Federführung von Jochen Bleitner an einem europäischen Städtefernturnier teil. In dem Vorinternet-Zeitalter wurden die Züge telefonisch oder per Fernschreiber übermittelt und täglich in der Hersfelder Zeitung veröffentlicht.
Besondere Höhepunkte für die Schachabteilung waren zwei Simultanturniere mit renommierten deutschen Schachgroßmeistern. Lothar Schmid, der u. a. den legendären WM-Kampf Fischer gegen Spasski als Schiedsrichter geleitet hatte, gastierte 1985 in Bad Hersfeld und spielte gegen 30 Schachfreunde des Unterverbandes. 1997 ließ sich der aus vielen Schachsendungen im Fernsehen bekannte Großmeister Dr. Helmut Pfleger ebenfalls von 30 Schachspielern der Region in einer über fünfstündigen Simultanveranstaltung herausfordern.
Einmal im Jahr bei dem traditionellen Schach-Fußball-Turnier in Langenbieber gerieten die Schachfreunde auch körperlich ins Schwitzen. Bezeichnenderweise geschah dies in den blauen Trikots der SG Hessen, die die Fußballabteilung regelmäßig zur Verfügung stellte. So beflügelt liefen die Schachspieler auch auf dem grünen Rasen zu großer Form auf und füllten die Vitrine des Jugendraumes weiter mit Pokalen.
2004 endet die Geschichte der Schachabteilung in der SG Hessen: Im Einvernehmen mit dem Hauptverein wurde die Abteilung aufgelöst und die Schachspieler gründeten den SK Turm Bad Hersfeld als selbständigen Verein. Die 23 gemeinsamen Jahre waren nicht nur von herausragenden sportlichen Leistungen und einem guten menschlichen Zusammenhalt sondern auch von großer Kontinuität geprägt. Für eine schnelllebige Zeit gewiss ungewöhnlich stand in all den Jahren mit Hans-Dieter Frank dieselbe Person an der Spitze der Schachabteilung, die er mit Umsicht, hohem Engagement und viel Idealismus im Team mit dem Abteilungsvorstand leitete.
Anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Sportgemeinde blicken die Schachfreunde auf eine sehr erfolgreiche Zeit in der SG Hessen Hersfeld zurück und wünschen in alter Verbundenheit alles erdenklich Gute.
Tilman Heisterhagen